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ESG: Mehr als nur ein Label?

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt auch in der Finanzwelt zunehmend an Bedeutung. ESG ist mittlerweile ein fester Begriff und auch die großen Investoren blicken auf Anlagewerte vermehrt durch die Nachhaltigkeits-Brille. Das Problem: Es herrscht nach wie vor Unklarheit über die genaue Definition von ESG. Doch Besserung ist in Sicht.

Aktuelle Markteinschätzung von Michael B. Bußhaus, Gründer und Geschäftsführer von justTRADE

Die Zeiten, in denen private und institutionelle Investoren ausschließlich auf die Rendite achteten, gehören schon längst der Vergangenheit an. Fakt ist: Das Bewusstsein unter Anlegern über die Auswirkungen ihrer Investments hat in den vergangenen Jahren sukzessive zugenommen. Immer mehr Investoren berücksichtigen den ESG-Gedanken bei ihren Anlageentscheidungen. Dabei steht die Abkürzung ESG für „Environmental, Social and (Corporate) Governance“, also: Umwelt, Soziales und gewissenhafte Unternehmensführung.

 

Grüne Zahlen mit grünen Investments

Welch große Rolle ESG bei Investoren inzwischen einnimmt, zeigen unter anderem Daten der Beratungsgesellschaft PwC. Demnach wies im Jahr 2021 das globale ESG-Anlagevolumen von institutionellen Investoren ein Volumen von rund 18,4 Billionen Dollar auf, das bis 2026 sogar auf 33,9 Billionen Dollar ansteigen könnte. Dies wäre nicht nur ein Plus von etwa 84 Prozent, ein Volumen in dieser Höhe entspräche auch einem Marktanteil von etwa 21,5 Prozent an den gesamten Assets under Management. Dieser Trend deckt sich übrigens auch mit dem Anlageverhalten der justTRADE-Kunden. Demnach investierten sie im Oktober 2022 rund 33 Prozent mehr in den ESG-Sparplan Xtrackers MSCI World ESG UCITS E als in den Sparplan des „traditionellen“ Xtrackers MSCI World UCITS.

 

Dass Investoren bei ESG-Anlagen in der Regel nicht auf eine attraktive Rendite verzichten müssen – das zeigen Studien immer wieder –, dürfte ebenfalls dazu beitragen, dass ESG-Investments schon längst kein Nischendasein mehr fristen. In einigen Marktphasen und Sektoren liegt die Performance ESG-basierter Assets und Finanzprodukte sogar über vergleichbaren Konkurrenz-Produkten. Auf der anderen Seite weisen Anlagewerte mit starken ESG-Fundamenten häufig auch ein geringeres Risiko auf. Ein Unternehmen mit einer vergleichsweisen stark ausgeprägten Sozialstruktur („S“), wird in der Regel nicht in einem Skandal um Kinderarbeit oder Billiglöhne verwickelt sein. Und ein Finanzdienstleister, der nicht im Ölmarkt investiert ist, wird seinen Kunden nicht rechtfertigen müssen, warum ein Projekt gefördert wurde, das zu einer Naturkatastrophe führte.

 

Anleger müssen genau hinschauen

Doch Vorsicht: Nicht alles ist nachhaltig, wo nachhaltig draufsteht. Im Zuge des Ansturms auf grüne Investitionen werden Metriken oftmals so gedreht und gewendet, wie es sich eben am besten vermarkten lässt. Möglich ist das vor allem deshalb, weil noch immer kein internationales, verbindliches und anerkanntes Regelwerk für die Bewertung von ESG-Konformität existiert. Emittenten und Finanzdienstleister haben somit (noch) einen recht großen Spielraum, auch aus der größten Skandal-Bude einen grünen Laden zu kreieren. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Anleger, die nachhaltig investieren möchten, sollten stets die Nachhaltigkeits- oder auch Jahresberichte des jeweiligen Unternehmens studieren. Bei Finanzprodukten wie ETFs müssen Anbieter ebenfalls offenlegen, nach welchen Kriterien sich der jeweilige Fonds zusammensetzt. Blind auf Labels und Auszeichnungen sollten sich Anleger bei der Auswahl von ESG-basierten Anlagewerten sicherlich nicht verlassen.

 

ESG-Kriterien: Unternehmen haben Ernst der Lage erkannt

Doch Besserung ist in Sicht. Ein Grund: Zum einen nehmen die Untersuchungen rund um das so genannte „Greenwashing“ – dabei verpassen sich die Unternehmen ein übertrieben umweltfreundliches Image – zu. So hat etwa im Oktober die Verbraucherzentrale einen großen deutschen Vermögensverwalter wegen irreführender Werbung bei einem ESG-Fonds verklagt. Die sogenannte Nachhaltigkeitspräferenzabfrage trägt ebenfalls dazu bei, dass Finanzdienstleister vorsichtiger mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen. Im Rahmen dieser Abfrage müssen Berater seit August dieses Jahres ihre Kunden zu ihren Nachhaltigkeitsvorlieben befragen. Und: Sollte eine Kunde nachhaltig anlegen wollen, sich im Nachhinein aber herausstellen, dass das entsprechende Produkt weniger nachhaltig ist als versprochen, ist die Gefahr der Falschberatung groß. Und um diese Gefahren – inklusive der damit einhergehenden Haftungsrisiken – zu umgehen, haben zahlreiche Finanzdienstleister zuletzt viele ihrer Produkte aus eigenen Stücken weniger nachhaltig eingestuft.

 

Dass die Politik, Institutionen und die Gesellschaft insgesamt genauer hinschauen, ist eine längst überfällige Entwicklung – werden doch so diejenigen Marktteilnehmer belohnt, die nach den Regeln spielen, und diejenigen abgestraft, die ESG-Kriterien nur vorgaukeln oder weiterhin ignorieren. Diesen Wettbewerbsvorteil wollen sich mehr und mehr Unternehmen sichern – und schärfen daher ihr ESG-Profil. Ein überaus erfreulicher Trend – für die Welt und die Anleger.

 

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