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Finanzmärkte nach der Kanzlerwahl 2025 – Was erwartet Deutschland?

Selten war eine Kanzlerwahl in Deutschland so spannend wie am 6. Mai 2025. Nach einem gescheiterten ersten Anlauf wurde Friedrich Merz (CDU) im zweiten Wahlgang zum neunten Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt – ein politisches Novum mit großer symbolischer Bedeutung.1,2  Das Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität in Höhe von 500 Milliarden Euro, das Teil eines umfassenderen Finanzierungspakets ist, wurde bereits Wochen vor der Kanzlerwahl von Union und SPD vereinbart.4,5

Die entscheidende Frage lautet nun: Wird das größte Investitionspaket der deutschen Nachkriegsgeschichte zum Konjunkturmotor – oder zum finanziellen Drahtseilakt für die Finanzmärkte?

Kanzlerwahl: Ein schwerer Start für Friedrich Merz

Der Weg von Friedrich Merz ins Kanzleramt verlief alles andere als reibungslos. Im ersten Wahlgang fehlten ihm sechs Stimmen zur absoluten Mehrheit – ein seltener Vorgang im Bundestag, der die fragile Ausgangslage der neuen Regierungskoalition deutlich machte.2 Erst im zweiten Durchgang sicherte sich Merz mit 325 Stimmen das Amt des Bundeskanzlers.1 Die Unterstützung aus den Reihen der Linken entfachte eine heftige Debatte innerhalb der Union über den Umgang mit politischen Gegnern und der Brandmauer.3

In der neuen schwarz-roten Regierung übernimmt Lars Klingbeil (SPD) das Finanzressort und das Amt des Vizekanzlers. Er gilt als Architekt des milliardenschweren Verteidigungsetats und befürwortet einen flexibleren Umgang mit der Schuldenbremse.6 Die Besetzung des Wirtschaftsministeriums entwickelte sich zur offenen Hängepartie: Nach den Absagen von Carsten Linnemann und Jens Spahn, die den drastisch verkleinerten Zuschnitt des Ressorts kritisierten, wurde CDU-Politikerin Katherina Reiche als neue Ministerin berufen.7

Sondervermögen: Rekordinvestition mit ungewissem Ausgang

Mit dem Sondervermögen haben Union und SPD das größte Investitionsprogramm seit Bestehen der Bundesrepublik auf den Weg gebracht.4 Um das Paket überhaupt möglich zu machen, wurde die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse mithilfe des alten Bundestags angepasst.4 Das Geld soll über zehn Jahre in zwei zentrale Bereiche fließen: die Modernisierung der Bundeswehr sowie in den Ausbau von Infrastruktur, Digitalisierung und Energieversorgung. 100 Milliarden Euro sind für die Länder vorgesehen, um die Zustimmung des Bundesrats sicherzustellen.4

Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete das Vorhaben als „überfälligen Schritt“, um den jahrelangen Investitionsstau endlich aufzulösen.4 Doch die Zweifel bleiben: Bereits beim 100-Milliarden-Euro-Sonderfonds für die Bundeswehr aus dem Jahr 2022 zeigte sich, wie schleppend staatliche Investitionen oft anlaufen. Bis Ende 2024 waren lediglich 17,2 Milliarden Euro tatsächlich ausgegeben worden.5

Börsenreaktionen und wirtschaftliche Folgen

Die Finanzmärkte reagierten nach der Wahl zunächst verhalten, da keine radikale politische Wende erwartet wurde. Der DAX erreichte kurzfristig ein neues Allzeithoch, bevor er sich um 23.600 Punkte herum einpendelte. Die Ankündigung des Sondervermögens führte jedoch zu deutlichen Kursausschlägen und könnte in folgenden Sektoren für Gewinner und Verlierer* sorgen.

Gewinner: Diese Sektoren dürften Rückenwind erhalten

  • Rüstungsindustrie: Unternehmen wie Rheinmetall, Hensoldt und Airbus Defence könnten zu den größten Profiteuren gehören. Vor allem Rheinmetall würde möglicherweise von neuen Aufträgen und höheren Verteidigungsbudgets profitieren.
  • Bau- und Infrastrukturunternehmen: Firmen wie Hochtief, Strabag und Vinci könnten erheblich von den angekündigten Milliardeninvestitionen in Straßen, Brücken und Schienenwege profitieren.
  • Technologie und Digitalisierung: Auch Technologiekonzerne wie SAP, Deutsche Telekom und Adesso dürften Impulse erhalten. Zusätzliche Investitionen in IT-Sicherheit, Cloud-Infrastruktur und Künstliche Intelligenz könnten die Nachfrage befeuern.
  • Erneuerbare Energien und Versorger: Siemens Energy, Nordex und Encavis sowie große Versorger wie E.ON und RWE könnten von einer beschleunigten Energiewende und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur profitieren.

Verlierer: Diese Branchen könnten unter Druck geraten

  • Banken und Versicherungen: Sollten die Renditen für Staatsanleihen anziehen, könnten Banken wie Deutsche Bank und Commerzbank unter höheren Refinanzierungskosten leiden. Auch Versicherungen müssten sich bei anhaltendem Zinsanstieg auf sinkende Gewinnmargen einstellen.
  • Konsum und Einzelhandel: Steigende Steuern oder Abgaben könnten die Kaufkraft der Verbraucher schwächen. Unternehmen wie Zalando oder Ceconomy (MediaMarkt/Saturn) wären in diesem Szenario besonders anfällig.

Anleihemärkte und Inflationsrisiken

Anleger reagierten zunächst verhalten auf das Schuldenpaket. Mit wachsender Sorge um die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen stiegen jedoch die Renditen für deutsche Staatsanleihen spürbar an. Höhere Finanzierungskosten könnten langfristig den Bundeshaushalt belasten und die Investitionsfähigkeit der Regierung einschränken.

Zudem warnten Beobachter vor einem möglichen Überhitzen der Konjunktur. Sollte das Programm die Nachfrage stärker als erwartet ankurbeln, könnte eine neue Inflationswelle drohen. Die Europäische Zentralbank stünde dann vor einem Dilemma: Strikte Zinserhöhungen könnten die Teuerung bremsen, aber zugleich das Wachstum empfindlich schwächen.5

Deutschlands internationale Verantwortung: Ukraine-Hilfen

Parallel zur innenpolitischen Neuausrichtung hat Deutschland auf den Rückzug der US-amerikanischen Ukraine-Hilfen reagiert. Das Bundesfinanzministerium gab ein weiteres Drei-Milliarden-Euro-Paket für militärische und humanitäre Unterstützung frei.8 In einem Schreiben an den Haushaltsausschuss betonte das Ministerium die „dringende Notwendigkeit“ der Maßnahme, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine aufrechtzuerhalten.8 Die Initiativen seitens Europas und der USA für Friedensverhandlungen haben in den vergangenen Wochen zugenommen.

Fazit: Ein Balanceakt für Märkte und Regierung

Die neue Bundesregierung unter Kanzler Merz steht vor einer doppelten Bewährungsprobe. Das Sondervermögen eröffnet die historische Chance, Investitionsstaus in Infrastruktur, Digitalisierung und Verteidigung nachhaltig aufzulösen.4 Vor allem die deutsche Rüstungsindustrie und Bauwirtschaft könnten davon erheblich profitieren.4

Gleichzeitig bleibt das Programm mit erheblichen Risiken behaftet. Frühere Sondervermögen zeigten, wie schwer sich der Staat mit der raschen Umsetzung großer Investitionsprojekte tut.5 Hinzu kommen Sorgen vor einem weiteren Anstieg der Staatsverschuldung und den daraus resultierenden Belastungen für den Kapitalmarkt.5

Ob das Sondervermögen als kraftvoller Wachstumsimpuls in die Geschichtsbücher eingehen wird oder als finanzielle Hypothek für kommende Generationen, dürfte sich erst in den nächsten Jahren entscheiden.

  1. Deutscher Bundestag (06.05.2025)
    “Friedrich Merz mit 325 Stimmen zum Bundeskanzler gewählt”
    https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw19-de-kanzlerwahl-1062470
  2. Tagesschau (06.05.2025)
    „Merz scheitert im ersten Wahlgang bei Kanzlerwahl"
    https://www.tagesschau.de/inland/kanzlerwahl-merz-100.html
  3. Bild (08.05.2025)
    "Union streitet über Linken-Tabu"
    https://www.bild.de/politik/inland/linnemann-bei-maischberger-union-streitet-ueber-linken-tabu-681bc986c956e61cc27b0dce
  4. Handelsblatt (04.03.2025)
    "Union und SPD einigen sich auf 500 Milliarden für Investitionen"
    https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/sondervermoegen-union-und-spd-einigen-sich-auf-500-milliarden-fuer-investitionen/100111476.html
  5. Handelsblatt (12.03.2025)
    „Warum der Staat häufig auf seinem Geld sitzen bleibt“
    https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/sondervermoegen-warum-der-staat-haeufig-auf-seinem-geld-sitzen-bleibt/100113181.html
  6. Reuters (30.04.2025)
    „New German finance minister Klingbeil is champion of higher defence spending“
    https://www.reuters.com/world/europe/new-german-finance-minister-klingbeil-is-champion-higher-defence-spending-2025-04-30/
  7. Tagesschau (17.04.2025)
    „Schwarz-rote Koalition sucht einen Wirtschaftsminister“
    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/wirtschaftsminister-schwarz-rot-100.html
  8. Der Spiegel (18.03.2025)
    „Finanzministerium genehmigt neues Drei-Milliarden-Paket für Ukraine“
    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ukraine-hilfen-finanzministerium-genehmigt-neues-drei-milliarden-paket-a-79a2695a-b156-4cf7-bcc7-0e1a39bccaac

 

Bildquelle:

Friedrich Merz: Sandro Halank

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Disclaimer:

* Keine Investmentberatung. Die hervorgehobenen Branchen und Unternehmen basieren auf den zweckgebundenen Ankündigungen der Bundesregierung.

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